Künstlerkolonie Mathildenhöhe

Design in Darmstadt: Künstlerkolonie Mathildenhöhe

Der Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert muss eine aufregende Zeit gewesen sein: fortschreitende Industrialisierung, aufkommende Moderne, der Stilwechsel hin zum praktischen, schnittigen Design ohne Schnörkel. In Darmstadt kann man den Spuren dieser Entwicklung folgen – in der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe.

Der Hochzeitsturm sticht aus dem Gebäudeensemble hervor, genau wie die reich verzierte Russische Kapelle dank ihres Stilbruchs. Die gehört eigentlich gar nicht zur Künstlerkolonie, sondern wurde nur zufällig zur gleichen Zeit gebaut. Der Hochzeitsturm dagegen ist ein Symbol der Innovation, die hier stattfand. Das Dach ist eine fünf­teilige, aus dunkel glasierten Ziegeln gemauerten Krone – ein bisschen erinnert es an eine Hand, was dem Turm auch den Spitznamen „Fünf-Finger-Turm“ einbrachte. Neu war, dass sich hier die Fensterreihen um die Ecke ziehen – so etwas gab es vorher nicht. Im Inneren ist der Turm üppiger verziert als die relativ schlichte Ziegelfassade vermuten lässt. Das Prunkstück des Gebäudes ist ein Relief, „Der Kuss“ von Friedrich Wilhelm Kleukens, das speziell für den Hochzeitturm entworfen wurde und ein liegendes Paar mit Flügeln zeigt. Von oben bietet der Turm eine Aussicht aus fast 50 Metern Höhe auf Darmstadt. Entworfen wurde das Wahrzeichen Darmstadts zu Ehren der zweiten Hochzeit des Großherzogs Ernst Ludwig.

Kunst und Wirtschaft

Ernst Ludwig war es auch, der die Mathildenhöhe Ende des 19. Jahrhunderts gründete und finanzierte, nicht nur um die Kunst zu fördern, sondern auch die Wirtschaft. Nicht weniger als der Grundstein für die Erneuerung des Alltags moderner Menschen sollte hier von Künstlern wie Peter Behrens, Paul Bürck, Hans Christiansen, Ludwig Habich und Joseph Maria Olbrich geschaffen werden. Man entwarf und produzierte Alltagsgegenstände wie Stühle, Besteck, Ventilatoren und Geschirr, sogar ganze Musterhäuser. Sämtliches Inventar war zu kaufen und manches wirkt heute noch erstaunlich modern. Obwohl man überall die Einflüsse des Jugendstils erkennen kann (geschwungene, organische Linien, Blumenornamente), sieht man auch schon eine neue Stilrichtung, die später zu Bauhaus werden sollte. Das junge 20. Jahrhundert begann in Darmstadt mit Innovation und Elan.

Gesamtkunstwerk

Den Ritterschlag erhielt die Mathildenhöhe im Juli 2021, als es als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt wurde. Das zweite in Darmstadt nach der Grube Messel. Das geschützte Ensemble besteht aus dem Hauptbereich und der Dreihäusergruppe. Neben dem Plantanenhain, dem Hochzeitsturm (in dem man übrigens tatsächlich auch heiraten kann) gehört auch die Ausstellungshalle zum Hauptbereich. Sie wurde bis 2023 aufwendig restauriert. Außerdem sind noch eine ganze Reihe Häuser Teil der Kolonie. Wie innovativ die Künstler dachten, lässt sich auch am Haus Behrens gut sehen. Peter Behrens war eigentlich Maler, entwarf aber als Autodidakt ein Haus für die Künstlerkolonie – und die Inneneinrichtung gleich dazu. Ein echtes Gesamtkunstwerk. Der rotbraune Eisen­klinker und grüng­lasierte Verblend­ziegeln stehen in schönem Kontrast zu den weiß verputzten Flächen. Überhaupt wirken die Gebäude alle modern, ohne auf Verzierungen zu verzichten. Mehr Informationen zu den einzelnen Gebäuden, Objekten und Künstlern bietet eine Führung durch das UNESCO-Weltkulturerbe oder ein Besuch im Museum. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges löste sich die Künstlerkolonie auf, doch die Mathildenhöhe blieb erhalten.

Adresse Mathildenhöhe
Olbrichweg 13 a, 64287 Darmstadt

Öffnungszeiten Künstlerkolonie Mathildenhöhe
Aktuelle Öffnungszeiten finden Sie hier

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